Shobha Sünkel

Das verbreitete Bild von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung beschränkt sich auf die Vorstellung, dass eine Frau von einem fremden Mann angegriffen und zum Sex gezwungen wird. Wie viele Frauen (und auch ich) leider wissen, ist sexueller Missbrauch und Vergewaltigung sehr viel vielschichter als die verbreitete Vorstellung davon. Die Täter sind häufig keine Fremden. Es muss keine Gewalt im Spiel sein. Und es muss auch kein Geschlechtsverkehr stattfinden.  

Die begrenzte Vorstellung in der Gesellschaft führt dazu, dass viele Opfer ihre eigenen Erfahrungen verleugnen und sich wertlos fühlen. Sie haben Angst ihre Erfahrungen zu schildern, anzuzeigen oder anderweitig Hilfe zu suchen, weil das was sie erlebt haben eben nicht dem eingangs geschilderten verbreiteten Bild entspricht. Wer sollte sie denn schon verstehen? Wer sollte ihnen glauben? Wie wird der Polizist reagieren, wenn man den Mut aufbringt, die Geschehnisse zu schildern? Wie soll man reagieren, wenn man mit verständnislosem Blick gefragt wird: “Aber warum haben Sie sich denn nicht gewehrt?”

Aus diesem Grund schweigen viele Frauen. Sie vertrauen sich niemandem an und sind mit den emotionalen Folgen dieser lebenseinschneidenden (manchmal traurigerweise sogar lebensbeendenden) Geschehnisse vollkommen auf sich alleine gestellt. Zermürbende Erinnerungen an den Vorfall oder sogar die Vorfälle wiederholen sich vor dem inneren Auge laufend oder werden mit Hilfe von geeigneten Mitteln zur Ablenkung verdrängt. Quälende Fragen, ob sie sich anders verhalten hätten sollen, ob sie schuld daran sind oder wie sie das nur zulassen konnten. Zurück bleibt das Gefühl der Isolation und der Scham. 

Aus eigenen Erfahrungen seit meiner Kindheit und über 20 Jahren Erfahrung in der Therapie von Betroffenen sexueller Gewalt, kenne ich jede Form des sexuellen Übergriffs. Ich bin hier, um allen Frauen, die derartiges erlebt haben, zu sagen, dass ich ihnen glaube, dass ich sie sehe und dass ich ihnen helfen kann. Niemand muss die emotionalen Wunden, die derartige Erlebnisse mit sich bringen, alleine verarbeiten. Dabei spielt es keine Rolle, was genau bei dem sexuellen Missbrauch passiert ist. Es reicht, dass du nicht eingewilligt hast und dass es trotzdem passiert ist. Was genau passiert ist, lässt sich nicht auf einer Skala einstufen und daraus ableiten, welche passenden Konsequenzen aus der “Schwere des Vergehens” für das private und berufliche Leben zu erwarten ist. Jeder erlebt und reagiert anders. Manche können noch 10 Jahre später das Gesicht des Onkels hinter der Badefensterscheibe nicht vergessen und sind unfähig eine vertrauensvolle Beziehung mit einem Mann einzugehen. Die weitreichenden Folgen für das eigene psychische Erleben, das soziale Leben, die Beziehungen zu Partnern, Familie und Freunden und auch für den beruflichen Werdegang sind nicht zu unterschätzen. 

Unabhängig von der Art des sexuellen Missbrauchs und vom Zeitpunkt der Tat, empfehle ich immer gemeinsam an der Verarbeitung dieser einschneidenden Erlebnisse zu arbeiten. Betroffene Frauen wünschen sich wieder lachen zu können, sich lebendig zu fühlen, abschließen können, nicht mehr dran denken und wieder ruhig schlafen können. Nach vorne zu gucken, wieder ganz sie selbst zu sein, Beziehungen einzugehen, Beziehungen zu genießen, keine Selbstzweifel mehr zu haben, dem Leben wieder zu vertrauen, ohne Schuldgefühle sich nie wieder für das, was passiert ist, zu schämen.
Falls du sexuelle Übergriffe oder Gewalt erleben musstest oder jemand Betroffenen kennst, schreib mir gerne auf FacebookInstagram oder vereinbare einen Termin zum Erstgespräch.